Alles richtig gemacht / Ticked all the boxes, 2023
Installation, Flyer

In unserem von Technologie und Innovationen geprägten Alltag, erhöht sich die Stimulationsdichte, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern verstärkt auch im Freizeiterleben, unaufhörlich. Eine Kultur, geprägt von nicht endenden Optimierungsprozessen: Berufsposition verbessern, Einkommen erhöhen, gesünder, attraktiver, fitter werden, Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern, Beziehungsnetze ausbauen und stabilisieren, Anerkennung erwerben etc.

In den stilisierten Anzeigen von Bertrams Arbeit werden wir mit verlockenden Angeboten umworben, die uns versprechen, unser Potenzial in sämtlichen Lebensbereichen entfaltet zu bekommen. Die Angebote illustrieren, wie sich eine Kapitalisierung von Freizeit manifestiert und wie wir – im Einklang mit der ständigen Logik der Dynamisierung – dazu gedrängt werden, alles “richtig” zu machen.

So suchen wir beispielsweise nach Momenten der Entspannung – und finden sofort passende Angebote: sei es ein Retreat für die Entfaltung unserer Menschlichkeit oder ein Meditationskurs, der uns sowohl zur Regeneration als auch zur Steigerung unserer Leistungsfähigkeit – privat als auch beruflich – dienen soll. Wir sehnen uns nach Adrenalin und nach Erlebnissen; wir begeben uns zum Rafting oder seilen uns entlang einer Hauswand ab. Nehmen wir unsere Go-Pro mit, denn ein gut dokumentiertes Erlebnis wird zum Statussymbol, erhöht unser in- dividuelles Lebenskapital und bezeugt die selbstwirksame Existenz.

Eine Orientierungskarte im Zentrum der Installation dient als Hilfestellung, falls wir uns bei der Fülle der abzuarbeitenden Feierabend To-Do Listen auf den Weg gemacht haben, ohne zu wissen, wohin wir eigentlich wollen.

Arbeitskreis # 1 Freizeit – im Rahmen von Part Time Commitment Series – What does Work mean at the End of the day Lothringer 13 Halle, München

Die Begriffe Freizeit und Muße werden gelegentlich als Synonym verwendet – während Freizeit jedoch eine Zeitdauer im Verhältnis zur Arbeit bemisst, bezeichnet Muße einen inneren Zustand, unabhängig von Zeit und Arbeit. Wie können in einer effizienz- orientierten Gesellschaft Möglichkeitsräume der Muße oder Resonanz hergestellt werden? Minimiert sich trotz oder gerade wegen der zunehmenden Stimulationsdichte im modernen Alltag die subjektive Notwendigkeit nach diesen Freiräumen? Wie steht es um die Intuition und das kritische Urteilsvermögen gegenüber dem Konsum von Aktivitäten einer onmipräsenten Beruhigungs- und Erlebnisindustrie?

Im Rahmen der Ausstellung fand ein öffentlicher Arbeitskreis statt, der sich inhaltlich an meinen Ausstellungsbeitrag anlehnte. Es entstand ein Diskurs zwischen Frau Prof. Dr. Erika Spieß, Wirtschafts- und Organisationspsychologin an der LMU München, Janusz Czech, Künstler, Kurator und Redaktionsmitglied des philosophischen Wirtschaftsmagazins AGORA 42 sowie den teilnehmenden Besucher*innen zum Thema Muße in Arbeit und Freizeit.